Mit Feuereifer habe ich mich in die Herausforderung gestürzt, meine Strickfähigkeiten aus der Kindheit wieder aufleben zu lassen. Re-Learning nennt man das heute vermutlich.“Ist bestimmt wie Fahrradfahren“, dachte ich mir. Mh ja, also nein, irgendwie wohl schon, nur irgendwie anders.
Im letzten Beitrag habt ihr erfahren, wie ich überhaupt wieder zum Stricken gekommen bin. Und jetzt saß ich also da: Voller Elan hatte ich mir die Nadeln mit Seil (später erfuhr ich, dass man das Rundstricknadel nannte) und die Wolle geschnappt, die meine Mutter mir gegeben hatte, und war bereit loszulegen. Ich wusste noch, dass man den Faden in einem höllisch komplizierten Muster um die Finger – und zwar ganz bestimmte Finger – wickeln musste, um überhaupt erstmal Maschen aufzunehmen. Und da ging’s auch schon los: Ich bin Linkshänderin, meine Mutter nicht. Deswegen hielten wir die Nadeln genau umgekehrt in den Händen, der Faden verlief genau andersherum und das Einstichen erfolgte ebenfalls auf der anderen Seite. Umdenken und spiegeln war angesagt, doch da ich das schon mein ganzes Leben gewohnt war, lief es besser als erwartet.Nächster Schritt: eine rechte Masche stricken. Zunächst war es etwas frickelig, aber es funktionierte. Zehn Maschen hatte ich aufgenommen und als ich meine erste Reihe fertig hatte, blickte ich zu meiner Mutter, die parallel strickte – die fünfte Reihe. Ok, wow. Ich war langsam, aber eben auch Neueinsteigerin. Also kämpfte ich mich weiter durch die nächsten Reihen, immer schön rechts (um genau zu sein: rechts verschränkt. Auch das wurde mir erst später klar, aber dazu bei der Handtasche mehr). Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis mir die nächsten paar Reihen gelungen waren, Fehler mitinbegriffen, und ich eine Pause brauchte.
Meine Hände taten fürchterlich weh. Die ungewohnten Bewegungen, die Angst, eine Masche zu verlieren, die Überforderung, mehr Garn vom Knäuel abzurollen, ohne die Nadeln fallenzulassen – all das ließ mich meine Hände derart verkrampfen, dass ich eine kleine Fingergymnastik einlegen musste. Aber glaubt mir, liebe Strickanfänger, das wird besser. Vor allem, wenn man entdeckt, dass man nicht so extrem eng stricken muss, wie ich es anfangs getan habe. Meine Maschen waren so eng, dass ich mit einer 3er-Nadel kaum einstechen konnte. Auch das eine Folge der Maschenfall-Angst.

Es werde Schal!
Mit jeder Masche lief es besser und kaum hatte ich die ersten 10cm zurückgelegt, beschloss meine Mutter, das Niveau um das gefühlt Tausendfache anzuheben und die Farbe zu wechseln. Offenbar stricke ich nun also einen gestreiften Schal. Was meine Mutter mir zu diesem Zeitpunkt verschwiegen hat, war, dass ich sämtliche Fäden an den Farbwechseln am Ende vernähen musste.
Ich hasse Vernähen.
Es ist das notwendige Übel (spätestens) am Ende jedes Strickstücks. Ohne geht halt nicht, wenn das hart erarbeitete Werk sich nicht binnen kürzester Zeit in Wohlgefallen auflösen soll.
Als ich nach Weihnachten wieder nach Hause gefahren bin, habe ich die einstündige Zugfahrt mit Stricken verbracht und fortan jede freie Minute, bis mein erster Schal fertig war. Zugegebenermaßen habe ich diesen Schal nicht ein einziges Mal getragen, weil er mir zu dünn, zu schmal und zu wenig muckelig war. Nichtsdestotrotz war ich sehr stolz und bin es noch heute. Und ich bin froh, dass meine Schneiderin Mutter mich völlig ungerührt direkt zu Beginn derart gefordert hat. Ich bin mir sicher, dass diese Erfahrung dazu geführt hat, dass ich heute neue Strickarten, Muster und Co. einfach ausprobiere. Und wenn’s nicht klappt, wird halt nicht vernäht.
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